Mit der Streitwertbemessung in einem Rechtsstreit über die Rechtmäßigkeit einer Feststellung im Sinne des § 180 Abs. 5 Nr. 1 AO (negativer Progressionsvorbehalt) in einem „Goldfinger-Fall“ hatte sich aktuell der Bundesfinanzhof zu befassen:
Der Bundesfinanzhof hat dabei die Verfahrensgebühr für das Revisionsverfahren ausgehend von einem Streitwert von 30 Mio. € festgesetzt; da dieser Wert der gesetzliche Höchstwert (§ 39 Abs. 2 GKG) für den gesamten Rechtsstreit ist[1] und schon den auf den ersten Antrag der Klägerin entfallenden Streitwert begrenzt, war eine Entscheidung zu möglichen Streitwerterhöhungen durch weitere Anträge der Klägerin (als Gesamtstreitwert dieses Verfahrens) nicht zu treffen.
Bei Anfechtungs- oder Verpflichtungsklagen wegen einer gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellung (§ 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO) bemisst der Bundesfinanzhof in ständiger Rechtsprechung den Streitwert gemäß § 52 Abs. 1 GKG nach der typisierten einkommensteuerlichen Bedeutung des Verfahrens für die Feststellungsbeteiligten. Diese Bedeutung ist grundsätzlich -im Sinne einer Vereinfachungsregelung- mit 25 % des streitigen Gewinns oder Verlustes zu bemessen[2]. Die tatsächlichen steuerlichen Auswirkungen bei den einzelnen Beteiligten des Feststellungsverfahrens werden nicht ermittelt[3].
Dem Pauschalansatz liegt im Rahmen des eher summarischen Verfahrens der Streitwertbestimmung „nach Ermessen“ (§ 52 Abs. 1 GKG) die Überlegung zugrunde, bei der Streitwertbemessung sowohl der verfahrensrechtlichen Trennung von Feststellungs- und (Steuer-)Festsetzungsverfahren als auch zugleich einem etwaigen Geheimnisschutzinteresse einzelner Beteiligter (§ 30 AO) Rechnung zu tragen; nicht zuletzt geht es auch darum, den Ermittlungsaufwand, der abhängig von der Anzahl der Feststellungsbeteiligten (und zugleich der vom Rechtsstreit betroffenen Personen) das Verfahren zur Bemessung des Streitwerts bei einer strengen Individualisierung überfrachten könnte, zu begrenzen. Diesem Ansatz ist es immanent, dass sich der Blick auf die konkreten steuerlichen Auswirkungen bei einzelnen Feststellungsbeteiligten im Regelfall auf die Typisierung beschränkt, ob die erwarteten Auswirkungen (als streitwerterhebliches Interesse des Beteiligten im Sinne der „Bedeutung der Sache“, § 52 Abs. 1 GKG) durch den Pauschalwertansatz abgebildet sind, und dass die persönliche Zuordnung durch den Wert der Beteiligung an den gemeinschaftlichen Besteuerungsgrundlagen (hier: Höhe der Beteiligung an den gemeinschaftlichen Einkünften als Grundlage einer Auswirkung auf den inländischen Steuersatz) abgeschlossen wird. An dieser pauschalen Ermittlung des Streitwerts ist selbst dann festzuhalten, wenn im Verfahren über die gesonderte und einheitliche Gewinnfeststellung die tatsächlichen einkommensteuerlichen Auswirkungen bei den Feststellungsbeteiligten (als ertragsteuerliche Zurechnungssubjekte der gemeinschaftlich erzielten Einkünfte) bekannt geworden sind[4]. Diese „Absage“ an Bestrebungen einer (weitgehenden) Individualisierung der Streitwertbestimmung bei der gesonderten und einheitlichen Feststellung[5] ist als Gegenstand der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu respektieren[6].
Dieser Pauschalsatz ist bei einem Streit über die Höhe des festzustellenden Gewinns allerdings keine feste Größe. Ausnahmsweise kommt der Ansatz eines höheren Prozentsatzes in Betracht, wenn ohne besondere Ermittlungen im Gewinnfeststellungsverfahren erkennbar ist, dass der Pauschalsatz der tatsächlichen (einkommen-)steuerlichen Auswirkung bei den Beteiligten nicht gerecht wird. Daher ist der Satz von 25 % bei höheren Gewinn- beziehungsweise Verlustanteilen wegen der infolge des progressiven Einkommensteuertarifs zu erwartenden höheren einkommensteuerlichen Auswirkung angemessen zu erhöhen[7]. Die Obergrenze des Pauschalsatzes beträgt für die Feststellungs- beziehungsweise Veranlagungszeiträume ab 2005 grundsätzlich 40 %[8]; dies entspricht auch dem -wenn auch nicht abschließend rechtsverbindlichen[9], allerdings zur Orientierung und aus Gleichbehandlungsgründen ohne Weiteres auch in Verfahren beim BFH zur Kenntnis zu nehmenden[10]– sogenannten Streitwertkatalog der Finanzgerichtsbarkeit[11].
Diese Obergrenze findet insbesondere dann Anwendung, wenn „Verluste bzw. Verlustanteile bei Abschreibungsgesellschaften oder Bauherrengemeinschaften“ Gegenstand des Rechtsstreits sind[12]. Dem liegt die Wertung zugrunde, dass es bei diesen („steuerorientierten“) Verlusten für die Beteiligten darum geht, (entsprechend) hohe positive Einkünfte auszugleichen; dabei wird eine Anwendung des höchsten Pauschalsatzes auch dann als gerechtfertigt angesehen, wenn möglicherweise nicht bei allen Beteiligten ein Grenzsteuersatz in dieser Höhe erreicht wird[13].
Diese Maßgaben sind sinnentsprechend in der hier gegenständlichen Konstellation des Feststellungsbescheids des § 180 Abs. 5 Nr. 1 AO im Zusammenhang mit der Anwendung des sogenannten negativen Progressionsvorbehalts (§ 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Abs. 2 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes) als Zielpunkt der Gestaltung heranzuziehen. Dazu hat das Hessische Finanzgericht zutreffend ausgeführt[14], es handele sich beim sogenannten Goldfingermodell um „ein für Spitzenverdiener interessantes“ Gestaltungsmodell zur Verlusterzielung, wobei der Verlust im Wege des negativen Progressionsvorbehalts der Herabsetzung des Spitzensteuersatzes auf Null dienen sollte. Ob bei allen Beteiligten der Spitzensteuersatz erreicht werde, sei unerheblich[15].
Auf dieser Grundlage hat die Kostenstelle des Bundesfinanzhofs zutreffend einen über 25 % liegenden Pauschalsatz auf den streitigen Verlustbetrag (als Grundlage eines negativen Progressionsvorbehalts) angewendet (hier: 40 %), den so errechneten Wert aber nach Maßgabe des § 39 Abs. 2 GKG auf den gesetzlichen Höchstbetrag (30 Mio. €) begrenzt, sodass rechnerisch letztlich ein Satz von 37,37 % (damit ein unter 40 % liegender Satz) angewendet wurde.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 27. Oktober 2023 – I E 4/23
- s. insoweit allgemein BFH, Beschluss vom 28.04.2006 – I E 1/06, BFH/NV 2006, 1674[↩]
- z.B. BFH, Urteil vom 25.09.2018 – IX R 35/17, BFHE 262, 418, BStBl II 2019, 167; BFH, Beschluss vom 03.07.2019 – I E 1/19, BFH/NV 2019, 1355; BFH, Beschlüsse vom 05.08.2019 – IX S 16/19, BFH/NV 2019, 1354; vom 27.04.2020 – IX E 7/20, BFH/NV 2020, 903; vom 09.03.2022 – IX E 3/21, BFH/NV 2022, 609, jeweils m.w.N.[↩]
- z.B. BFH, Beschlüsse vom 29.02.2012 – IV E 1/12, BFH/NV 2012, 1153; vom 18.10.2012 – IV S 17/12, BFH/NV 2013, 248; vom 29.11.2012 – IV E 7/12, BFH/NV 2013, 403; vom 14.04.2016 – IV E 1/16, BFH/NV 2016, 1066; BFH, Beschluss vom 03.07.2019 – I E 1/19, BFH/NV 2019, 1355; BFH, Beschluss vom 09.03.2022 – IX E 3/21, BFH/NV 2022, 609[↩]
- z.B. BFH, Beschlüsse vom 29.09.2005 – IV E 5/05, BFH/NV 2006, 315; vom 29.02.2012 – IV E 1/12, BFH/NV 2012, 1153; vom 14.04.2016 – IV E 1/16, BFH/NV 2016, 1066; vom 09.03.2022 – IX E 3/21, BFH/NV 2022, 609[↩]
- s. zu in der Rechtsprechung anerkannten -hier aber nicht einschlägigen- Ausnahmen die Nachweise bei Brandis in Tipke/Kruse, Vor § 135 FGO Rz 199a[↩]
- s.a. Schwarz in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 139 FGO Rz 293a; Gräber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., Vor § 135 Rz 160 „Einheitliche (und gesonderte) Feststellung“ [a) Allgemeine Grundsätze]; Böwing-Schmalenbrock in Gosch, FGO § 139 Rz 112 „Einheitliche und gesonderte Feststellung“; Hendricks in Schaumburg/Hendricks, Steuerrechtsschutz, 4. Aufl., Rz 10.34[↩]
- s. z.B. BFH, Beschlüsse vom 23.04.1997 – IV S 4/97, BFH/NV 1997, 699; vom 31.07.2014 – IV E 2/14, BFH/NV 2014, 1766; vom 14.04.2016 – IV E 1/16, BFH/NV 2016, 1066; vom 09.03.2022 – IX E 3/21, BFH/NV 2022, 609[↩]
- Brandis in Tipke/Kruse, Vor § 135 FGO Rz 199b; Schwarz in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 139 FGO Rz 293a[↩]
- z.B. Brandis in Tipke/Kruse, Vor § 135 FGO Rz 100; Böwing-Schmalenbrock in Gosch, FGO § 139 Rz 111[↩]
- z.B. BFH, Beschluss vom 07.03.2016 – VII E 1/16, BFH/NV 2016, 1039[↩]
- mit dem Stand Dezember 2021 nachgewiesen auf der Internetpräsenz der Finanzgerichte [z.B. www.fg-duesseldorf.nrw.de], I. Allgemeines/12. Gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen, m.w.N.[↩]
- z.B. Streitwertkatalog der Finanzgerichtsbarkeit, ebenda, dort Buchst. e – mit Hinweis u.a. auf den Bundesfinanzhof, Beschluss vom 11.05.2007 – IX E 12/07, BFH/NV 2007, 1528; s.a. die weiteren Nachweise bei Brandis in Tipke/Kruse, Vor § 135 FGO Rz 203[↩]
- ständige Rechtsprechung, z.B. BFH, Beschlüsse vom 13.03.1980 – IV E 2/80, BFHE 130, 363, BStBl II 1980, 520; vom 02.10.1980 – IV R 235/75, BFHE 131, 288, BStBl II 1981, 38; vom 17.11.1987 – VIII R 346/83, BFHE 152, 5, BStBl II 1988, 287; s.a. Beschluss vom 14.04.2016 – IV E 1/16, BFH/NV 2016, 1066[↩]
- Hess. FG, Urteil vom 30.08.2017 – 7 K 1095/15 [insoweit in EFG 2020, 1388 nicht abgedruckt]; zustimmend Brandis in Tipke/Kruse, Vor § 135 FGO Rz 203[↩]
- dortiger Hinweis auf BFH, Beschluss vom 14.04.2016 – IV E 1/16, BFH/NV 2016, 1066 [zu einer Beteiligung an einem Filmproduktionsfonds zur Erzielung von Verlusten zum Ausgleich positiver Einkünfte][↩]
