Im Anschluss an die Mandatsniederlegung einer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH vor der mündlichen Verhandlung kann ein erheblicher Grund für eine Terminsaufhebung trotz dauerhafter Erkrankung des sich danach selbst vertretenden Klägers fehlen, wenn der Kläger die Mandatsniederlegung als Geschäftsführer der Rechtsanwaltsgesellschaft mbH selbst verursacht hat.
Das Finanzgericht hat in einem solchen Fall den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 119 Nr. 3 FGO und Art. 103 Abs. 1 GG) nicht dadurch verletzt, dass es den Termin zur mündlichen Verhandlung am 24.10.2022 ohne den Kläger durchgeführt und im Anschluss daran über den Streitfall durch Verkündung des Urteils verfahrensabschließend entschieden hat.
So auch im hier entschiedenen Fall: Der Kläger hatte mehrfach vor dem vom Finanzgericht frühzeitig festgesetzten Termin zur mündlichen Verhandlung (24.10.2022) dessen Verlegung aufgrund einer dauerhaften Erkrankung, die zu seiner fehlenden Reisefähigkeit und teilweisen Arbeitsunfähigkeit führe, beantragt. Das Finanzgericht hat die Aufhebung des Termins jeweils abgelehnt. Am 06.10.2022 beantragte der Kläger erneut die Terminsaufhebung und legte dar, er werde am 20.10.2022 operiert und danach stationär behandelt. Das Finanzgericht teilte dem Kläger in einem Schreiben vom 17.10.2022 mit, er habe seine krankheitsbedingte mangelnde Reisefähigkeit bereits durch die während des Verfahrens eingereichte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung glaubhaft gemacht, werde aber durch eine Rechtsanwaltsgesellschaft mbH vertreten, deren Geschäftsführer er sei. Der Termin sei von dem neben dem Kläger bestellten weiteren Geschäftsführer wahrzunehmen, es sei denn, dass auch dessen Verhinderung am Tag der mündlichen Verhandlung nachgewiesen werde. Der als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer tätige Kläger zeigte dem Finanzgericht daraufhin gemäß § 155 FGO i.V.m. § 87 Abs. 1 ZPO die Mandatsniederlegung der Rechtsanwaltsgesellschaft mbH an und erklärte, er vertrete sich nunmehr selbst. Am 18.10.2022 reichte der Kläger beim Finanzgericht Unterlagen ein, aus denen der OP-Termin am 20.10.2022 und die Kostenübernahme der Krankenversicherung für den anschließenden stationären Aufenthalt hervorgingen. Das Finanzgericht antwortete dem Kläger mit Schreiben vom 19.10.2022, es werde den Termin nicht aufheben. Über das besondere elektronische Anwaltspostfach des Klägers wurden dem Finanzgericht am 24.10.2022 um 07:43 Uhr Unterlagen übermittelt, unter denen sich eine ärztliche Bescheinigung vom 21.10.2022 befand, nach der der Kläger für mindestens drei Wochen nicht reisetauglich sei. Nach der Niederschrift zur mündlichen Verhandlung erschien für den Kläger niemand. Das Finanzgericht lehnte den am Tag der mündlichen Verhandlung durch die Rechtsanwaltsgesellschaft mbH gestellten weiteren Terminverlegungsantrag ab, da eine Verhinderung des weiteren Geschäftsführers nicht glaubhaft gemacht worden sei. Nach Durchführung der mündlichen Verhandlung und Wiederaufruf der Sache wies es die Klage durch Verkündung des Tenors ab. Im angefochtenen Urteil stützte das Finanzgericht die Ablehnung des Terminverlegungsantrags darauf, dass die Verhinderung eines Prozessvertreters nicht als erheblicher Grund im Sinne des § 227 Abs. 1 ZPO anzusehen sei, wenn die Prozessvollmacht einer Sozietät erteilt worden sei und der betreffende Termin durch ein anderes Mitglied der Sozietät sachgerecht wahrgenommen werden könne. Dies gelte auch, wenn es sich bei dem Prozessbevollmächtigten um eine Rechtsanwaltsgesellschaft mbH mit mehreren Geschäftsführern handele. Eine anderweitige Vertretungsmöglichkeit sei im Streitfall gegeben, da keine Gründe vorgetragen worden seien, dass die Vertretung durch einen anderen Sachbearbeiter unzumutbar sei. Die Verhinderung des Mitgeschäftsführers am Sitzungstag sei zwar behauptet, aber nicht glaubhaft gemacht worden. Die behauptete Mandatsniederlegung durch die Rechtsanwaltsgesellschaft mbH sei zur Unzeit erfolgt und damit unbeachtlich. Die Niederlegung des Mandats im Streitfall sei auch rechtsmissbräuchlich, da sie offenbar dazu gedient habe, das Gericht zur Terminsaufhebung zu bewegen und der Kläger trotz der Mandatsniederlegung weiter die Infrastruktur der Rechtsanwaltsgesellschaft mbH im Verfahren zur Übermittlung von Schriftsätzen genutzt habe.
Einem Verfahrensbeteiligten wird das rechtliche Gehör zu Unrecht versagt, wenn das Gericht mündlich verhandelt und in der Sache entscheidet, obwohl der Beteiligte einen Antrag auf Terminverlegung gestellt und dafür erhebliche Gründe geltend und glaubhaft gemacht hat (§ 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 227 Abs. 1 ZPO). Zu diesen erheblichen Gründen gehört grundsätzlich auch die krankheitsbedingte Verhinderung eines sich selbst vertretenden Klägers[1]. Trotz der nachgewiesenen krankheitsbedingten Verhinderung des sich selbst vertretenden Klägers am Tag der mündlichen Verhandlung hat das Finanzgericht im Streitfall eine Terminsaufhebung mangels eines erheblichen Grunds im Ergebnis zu Recht abgelehnt.
Welche Gründe als erheblich im Sinne von § 227 Abs. 1 ZPO anzusehen sind, richtet sich nach den Verhältnissen des Einzelfalls. Der Prozessstoff und die persönlichen Verhältnisse des betroffenen Beteiligten und gegebenenfalls seines Prozessbevollmächtigten sind bei der Prüfung ebenso zu berücksichtigen wie der Umstand, dass das Finanzgericht die einzige Tatsacheninstanz ist und die Beteiligten ein Recht darauf haben, ihre Sache in einer mündlichen Verhandlung vorzutragen. Die in § 227 Abs. 1 ZPO eingeräumte Ermessensfreiheit kann sich zu einer Rechtspflicht verdichten, das heißt der Termin muss zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs verlegt werden, selbst wenn das Gericht die Sache für entscheidungsreif hält und die Erledigung des Rechtsstreits durch die Verlegung verzögert wird[2].
Eine Terminsaufhebung kann geboten sein, wenn der bisherige Prozessbevollmächtigte kurz vor der mündlichen Verhandlung in einer Sache, die in tatsächlicher und/oder rechtlicher Hinsicht nicht einfach ist, sein Mandat niederlegt, ohne dass den Kläger daran ein Verschulden trifft und der Kläger dies glaubhaft macht[3]. Dies gilt entsprechend, wenn der Kläger sich nach einer unverschuldeten Mandatsniederlegung seines Prozessbevollmächtigten selbst vertritt und am Tag der mündlichen Verhandlung krankheitsbedingt verhandlungs- oder reiseunfähig ist.
Andernfalls ist im Fall einer dauerhaften Erkrankung eines Beteiligten, der einen Bevollmächtigten bestellt hat und damit fachkundig vertreten ist, ein Termin nur in Ausnahmefällen aufzuheben[4]. Das Finanzgericht hat bei einer dauerhaften Erkrankung eines vertretenen Beteiligten zwar zu prüfen, ob eine Vertagung zweckmäßig sein kann, beispielsweise weil eine Stabilisierung des Gesundheitszustands in einem vertretbaren Zeitrahmen vorstellbar ist; allerdings verlangt ein erheblicher Grund für eine Terminsaufhebung in einem solchen Fall, dass weder der Kläger persönlich (aus gesundheitlichen Gründen) noch der bestellte Prozessbevollmächtigte[5] in der Lage ist, in der mündlichen Verhandlung fundiert zur Sache vorzutragen[6].
Nach diesen Maßstäben ist die Ablehnung der Terminsaufhebung durch das Finanzgericht im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Der Streitfall betrifft die Frage, ob eine Prüfungsanordnung für das freiberufliche Einzelunternehmen des Klägers mit mehreren Standorten nichtig oder rechtswidrig ist, weil diese von einem unzuständigen Finanzamt erlassen wurde. Der Kläger ist während des gesamten Verfahrens durch die Rechtsanwaltsgesellschaft mbH vertreten worden, er war jedoch als deren Geschäftsführer auch der maßgebliche Sachbearbeiter des Verfahrens, jedenfalls wurden die verfahrensgegenständlichen Schriftsätze in Gestalt einer Paraphe des Klägers unterzeichnet. Insoweit ist das Interesse des Klägers anzuerkennen, den Streitfall vor dem Finanzgericht als fachkundiger Beteiligter selbst zu vertreten und selbst in der mündlichen Verhandlung zur Sache vorzutragen. Andernfalls weist der Rechtsstreit keinen hohen Schwierigkeitsgrad auf und die dauerhafte Erkrankung und fehlende Reisefähigkeit des Klägers standen seit längerem fest. Die Vertretung des Streitfalls durch den weiteren Geschäftsführer der Rechtsanwaltsgesellschaft mbH war zumutbar und auch deshalb möglich, weil zu den streitigen Fragen während des Klageverfahrens schon umfassend vom Kläger vorgetragen worden war. Ein Ausnahmefall, in dem nach dem oben dargelegten Maßstab bei einer dauerhaften Erkrankung trotz der Vertretung durch einen Prozessbevollmächtigten eine Terminverlegung geboten ist, ist nicht gegeben. Angesichts dessen ist die Würdigung des Finanzgerichtes nicht zu beanstanden, dass die vom Kläger selbst und bewusst herbeigeführte Mandatsniederlegung der Rechtsanwaltsgesellschaft mbH trotz der Erkrankung einen erheblichen Grund für die Terminsaufhebung ausschließt. Denn die Mandatsniederlegung ist dem Kläger anzulasten[7]. Der Kläger, dem der Termin zur mündlichen Verhandlung frühzeitig bekannt war, hätte angesichts seiner dauerhaften krankheitsbedingten Verhinderung dafür Sorge tragen können und müssen, den weiteren Geschäftsführer der Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in den Streitstand einzuführen, damit dieser die Vertretung in der mündlichen Verhandlung sachkundig wahrnehmen kann und deren Mandat nicht niederlegen dürfen[8].
Auf die weitere Begründung des Finanzgerichtes, dass der Kläger sich auch rechtsmissbräuchlich verhalten habe, kommt es nicht an. Der Bundesfinanzhof lässt angesichts des Umstands, dass im Streitfall zwar wiederholt die Terminsaufhebung beantragt wurde, es jedoch um die erste vom Finanzgericht terminierte mündliche Verhandlung ging, offen, ob er sich dieser Beurteilung anschließen könnte.
Eine Verhinderung des weiteren Geschäftsführers der Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, der gemäß § 87 Abs. 2 ZPO weiter Prozesshandlungen für den Kläger in der mündlichen Verhandlung hätte ausführen können, hat der Kläger zwar im Antrag vom 24.10.2022 behauptet. Sie wurde aber nicht glaubhaft gemacht und daher vom Finanzgericht abgelehnt. Mit der Begründung des ablehnenden Beschlusses, die in der Niederschrift zur mündlichen Verhandlung wiedergegeben worden ist, setzt der Kläger sich vorliegend nicht auseinander.
Es ist auch nicht zu beanstanden, dass das Finanzgericht zwar einen erheblichen Grund für eine Terminverlegung wegen der vom Kläger selbst verursachten Mandatsniederlegung verneint und den Kläger gleichwohl als Prozessbevollmächtigten behandelt hat. Die Annahme einer verschuldeten Mandatsniederlegung, die einen erheblichen Grund im Sinne des § 227 Abs. 1 ZPO ausschließt, führt nicht dazu, die Mandatsniederlegung als prozessual unwirksam ansehen zu müssen. Insoweit liegt der gerügte Verfahrensmangel nicht vor.
Das Finanzgericht hat den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs auch nicht dadurch verletzt, dass es dem Kläger nicht gestattet hat, sich gemäß § 91a Abs. 1 Satz 1 FGO am Tag der mündlichen Verhandlung an einem anderen Ort aufzuhalten und von dort im Wege einer Videokonferenz Verfahrenshandlungen vorzunehmen.
Gemäß § 91a Abs. 3 Satz 2 FGO ist der ablehnende Beschluss des Finanzgerichtes vom 17.10.2022 unanfechtbar und damit gemäß § 124 Abs. 2 FGO der Überprüfung im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde grundsätzlich entzogen. Eine Gehörsverletzung im Sinne des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO kann aufgrund der Ablehnung jedoch vorliegen, wenn das Erscheinen am Gericht für den Kläger unzumutbar ist, die technischen Voraussetzungen für eine Videokonferenz vorliegen und auch sonst keine wesentlichen Belange gegen die Durchführung der Videokonferenz sprechen[9]. Es sprechen wesentliche Belange gegen die Durchführung einer Videokonferenz, wenn die von § 91a Abs. 1 FGO geforderten technischen Voraussetzungen beim Gericht nicht gegeben sind, um die Verhandlung zeitgleich in Bild und Ton an einen anderen Ort und in das Sitzungszimmer zu übertragen und einem Beteiligten im Rahmen der Übertragung die Vornahme von Verfahrenshandlungen zu ermöglichen. Ein Anspruch auf Schaffung der technischen Voraussetzungen ergibt sich aus § 91a FGO nicht[10].
Danach hat die Gehörsrüge des Klägers keinen Erfolg. Das Finanzgericht hat seinen Ablehnungsbeschluss darauf gestützt, dass die von § 91a Abs. 1 FGO geforderten technischen Voraussetzungen beim Finanzgericht nicht gegeben seien. Der Kläger ist zwar der Auffassung, dass für das Finanzgericht gemäß Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG eine Verpflichtung bestand, eine Videokonferenzanlage vorzuhalten. Er setzt sich jedoch nicht mit der vom Finanzgericht im ablehnenden Beschluss zitierten BFH-Rechtsprechung auseinander, die eine solche Beschaffungspflicht verneint, wenn die entsprechende technische Ausstattung beim Finanzgericht noch nicht vorhanden ist. Er legt insbesondere nicht dar, warum die sich auf die Gesetzesbegründung stützende Auslegung des Bundesfinanzhofs zu § 91a FGO verfassungswidrig sein könnte.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 13. März 2024 – VIII B 4/23
- BFH, Beschlüsse vom 04.11.2019 – X B 70/19, BFH/NV 2020, 226, Rz 9; vom 15.02.2013 – IX B 178/12, BFH/NV 2013, 762, Rz 2 bis 4; vom 21.04.2023 – VIII B 144/22, BFH/NV 2023, 859, Rz 4[↩]
- BFH, Beschluss vom 16.06.2020 – VIII B 151/19, BFHE 268, 534, BStBl II 2020, 715, Rz 9, m.w.N.[↩]
- vgl. BFH, Beschluss vom 16.06.2020 – VIII B 151/19, BFHE 268, 534, BStBl II 2020, 715, Rz 11, 13[↩]
- vgl. BFH, Beschluss vom 31.10.2023 – VIII B 110/22, BFH/NV 2024, 22, Rz 10, m.w.N.[↩]
- wegen fehlender Möglichkeit zur fachlichen Kommunikation mit diesem[↩]
- BFH, Beschluss vom 31.10.2023 – VIII B 110/22, BFH/NV 2024, 22, Rz 11[↩]
- vgl. z.B. BFH, Beschlüsse vom 31.01.2012 – IV B 22/11, BFH/NV 2012, 766, Rz 1; vom 04.06.2014 – VII B 8/14, BFH/NV 2014, 1755, Rz 6, 7[↩]
- vgl. zur Vorsorgepflicht bei dauerhafter Erkrankung: BFH, Beschluss vom 04.03.2014 – VII B 189/13, BFH/NV 2014, 1057, Rz 7[↩]
- BFH, Beschluss vom 12.02.2019 – VIII B 53/18, BFH/NV 2019, 568, Rz 16[↩]
- BFH, Beschluss vom 12.05.2021 – IV R 31/18, BFH/NV 2021, 1079, Rz 6[↩]
