Die nicht vertragsgerechte Beratung – und die Entscheidung des Mandanten

Durchgreifenden rechtlichen Bedenken hatte der Bundesgerichtshof jedoch bei der Frage, ob und warum eine Kausalität zwischen der jeweiligen Pflichtverletzung und einem in der Zeichnung der Kapitalanlagen zu sehenden Schaden zu bejahen sei:

Die nicht vertragsgerechte Beratung – und die Entscheidung des Mandanten

Wie sich ein Mandant bei vertragsgerechter Beratung verhalten hätte, zählt zur haftungsausfüllenden Kausalität, die der Mandant nach § 287 ZPO zu beweisen hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bestimmen sich in Fällen der Rechtsund Steuerberaterhaftung Beweiserleichterungen für den Ursachenzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden zu Gunsten des Mandanten nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises. Vorausgesetzt ist ein Sachverhalt, der nach der Lebenserfahrung auf Grund objektiv deutlich für eine bestimmte Reaktion sprechender Umstände einer typisierenden Betrachtungsweise zugänglich ist. Dies ist anzunehmen, wenn bei zutreffender rechtlicher Beratung vom Standpunkt eines vernünftigen Betrachters aus allein eine Entscheidung nahegelegen hätte[1].

Die auf anderem Gebiet und auch zur Anlageberatung ergangene Rechtsprechung, wonach zu Lasten des Anlageberaters eine zur Beweislastumkehr führende widerlegbare tatsächliche Vermutung bestehe, dass der Schaden bei pflichtgemäßer Aufklärung nicht eingetreten wäre, findet wie der Bundesgerichtshof wiederholt entschieden hat für die Rechtsund Steuerberaterhaftung keine Anwendung; sie kann in diesem Bereich nicht mit dem besonderen Schutzzweck der Aufklärungspflicht gerechtfertigt werden und führt nicht zu einer angemessenen Risikoverteilung zwischen rechtlichem Berater und Mandanten[2].

Hieran wird für Fälle der vorliegenden Art festgehalten. Dem Steuerberater wird nicht die Verletzung einer aus einer Anlageberatung oder einer Anlagevermittlung resultierenden Pflicht zur Last gelegt, sondern einer speziell aus dem Mandat und den Aufgaben des Steuerberaters abzuleitenden Aufklärungspflicht.

Es hätte daher dem Mandanten oblegen, darzutun und gegebenenfalls zu beweisen, wie er sich bei pflichtgemäßer Aufklärung über die mit der A. bestehenden wirtschaftlichen Verflechtungen verhalten hätte. Hierbei kann sich der Mandant auf Beweiserleichterungen im Sinne eines Anscheinsbeweises nicht berufen.

Die Beweiserleichterung für den Ursachenzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises gilt nicht generell. Sie setzt vielmehr einen Tatbestand voraus, bei dem der Ursachenzusammenhang zwischen der Pflichtverletzung des Beraters und einem bestimmten Verhalten seines Mandanten typischerweise gegeben ist, beruht also auf den Umständen, die nach der Lebenserfahrung eine bestimmte tatsächliche Vermutung rechtfertigen[3]. Um dies beurteilen zu können, müssen bestehende Handlungsalternativen miteinander verglichen werden, die nach pflichtgemäßer Beratung zur Verfügung gestanden hätten[4]. Voraussetzung für das Eingreifen der Beweiserleichterung sind tatsächliche Feststellungen, die im Fall sachgerechter Aufklärung durch den Berater aus der Sicht eines vernünftig urteilenden Mandanten eindeutig eine bestimmte tatsächliche Reaktion nahegelegt hätten[5].

Die Regeln des Anscheinsbeweises können vorliegend nicht zum Tragen kommen. Angesichts der aus steuerlicher Sicht zutreffenden Empfehlung, es sei für den Mandanten vorteilhaft, geschlossene Fonds zu zeichnen und sich hierzu an die Anlagevermittlerin zu wenden, ist nicht mit Wahrscheinlichkeit eine bestimmte Entschließung des Mandanten bei zutreffender Unterrichtung zu erwarten. Vielmehr hätten sich dem Mandanten im Falle pflichtgemäßer Aufklärung mehrere Handlungsalternativen aufgetan. Unter Aufdeckung der Beteiligung hätte der Mandant dies unterlassen oder die Gesellschaft gerade wegen deren Verbindung zu den Steuerberater aufsuchen können. Kommen unter den Umständen des jeweiligen Einzelfalls mehrere objektiv gleich vernünftige Verhaltensweisen in Betracht, hat der Mandant grundsätzlich den Weg zu bezeichnen, für den er sich entschieden hätte.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 6. Dezember 2018 – IX ZR 176/16

  1. BGH, Urteil vom 30.09.1993 – IX ZR 73/93, BGHZ 123, 311, 314 ff; vom 30.03.2000 – IX ZR 53/99, NJW 2000, 2814, 2815; vom 20.03.2008 – IX ZR 104/05, NJW 2008, 2647 Rn. 12; Beschluss vom 15.05.2014 – IX ZR 267/12, NJW 2014, 2795 Rn. 2[]
  2. BGH, Urteil vom 30.09.1993, aaO; Beschluss vom 15.05.2014, aaO Rn. 3 f; Gehrlein, Anwalts- und Steuerberaterhaftung, 4. Aufl., Rn. 104[]
  3. BGH, Urteil vom 16.07.2015 – IX ZR 197/14, NJW 2015, 3447 Rn. 25 ff mwN[]
  4. BGH, aaO[]
  5. BGH, aaO mwN[]